von Professor Georg Franck
Der Erfolg des Hauses Burda belehrt all die eines Besseren, die glauben, daß die Ökonomie der Aufmerksamkeit eine Ökonomie im nur übertragenen Sinn sei.
Das Haus ist Bank und Börse in Sachen Aufmerksamkeit. Wer schnell und richtig reich an Beachtung werden will, muß in die Bunte. Wer in Rankings und Hitlisten vorne mitmischen will, sollte im Focus aufgetaucht sein. Das Medienhaus macht vor, wie die Vermögensverwaltung in Sachen des immateriellen Reichtums funktioniert. Aus einer kleinen Einlage mitgebrachter Bekanntheit kann ein Kapital werden, das sich rentiert. Die Bank investiert die Einlage in Präsentationsfläche. Je bekannter das Gesicht ist – und wird –, um so mehr bringt die Präsentation für den Einleger und freilich für die Bank. Die Bank kann aber auch Werte wie aus dem Nichts schöpfen. Sie kann nämlich mehr Kredite geben, als Einlagen da sind. Sie kann ein Mauerblümchen präsentieren, als sei es schon ein Sternchen. Wenn die Suggestion aufgeht, dann ist da plötzlich ein Renommee, das sich verzinst. Jetzt wird das Medium erst recht wichtig. Es wächst selber über die Hausbank hinaus, wenn das Publikum zu verstehen beginnt, was der Faktor Größe des Bilds mal Häufigkeit der Abbildung bedeutet. Der Faktor notiert einen Kurswert, sobald das Medium als Börsenblatt der Prominenz gelesen wird.
Aus der Sicht des ökonomischen Neulands, das da in Besitz genommen wird, sieht die New Economy von gestern noch älter aus, als es das jüngst Vergangene so an sich hat. Da gibt es nicht nur eine neue Technologie, die Technologie der Attraktion. Da gibt es auch nicht nur eine Klasse von neuen Reichen, die Medienprominenz. Da tritt eine neue Art von Sozialprodukt in Erscheinung: das Aufkommen an der Beachtung, die für den Konsum der Information ausgegeben wird, die in den Medien erscheint. Neu an dieser Ökonomie ist nicht, daß das Geld als Währung abgelöst würde. Neu ist, daß der Gewinn an Beachtung vor dem Profit kommt. Das Haus Burda versteht es wie wenige andere, aus diesem Wechsel der Prioritäten Kapital zu schlagen. Man weiß in diesem Haus, daß die Wachstumspole der Wirtschaft an die Schnittstellen zwischen der Ökonomie des Gelds und der Ökonomie der Aufmerksamkeit gewandert sind. An dieser Schnittstelle – in der Wissens- und Kulturindustrie, im Sport, in der Werbung – boomen die ansonsten lahmenden Wachstumsraten.
Was kann einem Theoretiker Besseres begegnen, als ein potentes Unternehmen, das seine Thesen auf die Probe stellt? Was gibt es Schöneres als die Bestätigung im Stil eines groß angelegten Experiments? Nun, so ungetrübt ist die Freude am diesem Rechthaben nicht. Nicht nur die Ökonomie der Aufmerksamkeit ist eine Ökonomie mit all den Schattenmärkten und all den Schattenseiten, die für eine Marktwirtschaft typisch sind. Auch der mentale Kapitalismus entpuppt sich mehr und mehr als ein Kapitalismus mit all den charakteristischen Höhen und Tiefen. Stichworte sind die schiefe Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, die Verwertung des Reichtums, die die Belohnung der Leistung verdrängt, die leistungsfreien Einkommen derer, die ehedem im Überfluß leben. Der mentale Kapitalismus sozialisiert den Status des Elitären ohne Ansehen der Gründe, die zur Bekanntheit verhalfen. Die Medienprominenz glänzt vor allem im Glück, das man haben muß, um so vielen Menschen Beachtung abzunötigen, ohne allzu Beachtliches zu bieten.
Warum gefällt es den vielen, die so wenig für ihre Acht zurückbekommen? Das weiß man nicht. Den Kritikern des mentalen Kapitalismus ist nämlich noch kein Experiment im größeren Stil eingefallen. Ihnen bleibt nur zu stauen, wie glatt der neue Kapitalismus läuft.