Eine Ära geht zu Ende

Hubert Burda mit den Preisträgern Franz Mon und Tomas Venclova und den Jurymitgliedern

Vierzig Jahre nach seiner Gründung wurde am vergangenen Samstag, dem 14. Juni, der Petrarca-Preis im Bayerischen Nationalmuseum in München verliehen – zum letzten Mal, wie der Preisstifter Hubert Burda mit einiger Melancholie ankündigte. Gleichzeitig aber äußerte Burda die Absicht, das mit der Preisverleihung stets einhergehende Fest der Literatur weiterführen zu wollen, als eine Zusammenkunft von Dichtern und Freunden der Poesie im Juni in München. „Denn”, so Burda, „diese Tage in der Mitte des Jahres waren die, auf die ich mich all die Jahre mit am meisten gefreut habe.”

Mit der diesjährigen Preisverleihung an die Lyriker Franz Mon und Tomas Venclova sei der Petrarca-Preis zu einem „würdigen Ende” gekommen, so Burda. Er erinnerte noch einmal an die Gründungsphase des Preises, als sein Münchner Freundeskreis beschlossen hatte, Dichter zu ehren, die im Geiste des großen italienischen Humanisten Francesco Petrarcas (1304-1374) wirkten und dem Namensgeber entsprechend die Lyrik, eine traditionell mit wenig Aufmerksamkeit bedachte Gattung, in den Mittelpunkt zu rücken.

Die frappierende Aktualität Petrarcas stellte der Literaturwissenschaftler und Petrarca-Spezialist Karlheinz Stierle in einem brillanten Vortrag dar. Er rühmte ihn als Dichter der Nachdenklichkeit – und als jemanden, der früh Naturbeobachtungen in sein Werk einbezog und damit bis heute stilprägend und wirkmächtig geblieben sei.

Das ganze Spektrum dessen, was die Dichtkunst zu leisten im Stande ist, zeigte sich an der Auswahl der Preisträger in diesem besonderen Jahr 2014. Die Juroren Peter Handke, Peter Hamm, Alfred Kolleritsch und Michael Krüger hatten sich für den Frankfurter Franz Mon und den Litauer Tomas Venclova entschieden. Mons mit Witz und Formwillen sorgfältig gefassten Gedichte zeigten ihn als einen sprachspielerischen Artisten, erklärte Peter Handke in seiner Laudatio. Handke arbeitete Mons Poetik anhand seines langen Briefwechsels mit dem ostdeutschen Dichter Carlfriedrich Claus heraus.

Tomas Venclova, der 1937 in Memel geborene und 1977 in die USA emigrierte Dichter und Literaturwissenschaftler, dagegen verfasse „große strenge Gedichte”, so der Laudator Michael Krüger, aus denen die ganze Trauer und Verlorenheit des aus seiner Heimat Vertriebenen spreche. Sie seien, so Krüger, melancholisch sarkastische Befunde eines Dichters, dem jede geschichtsphilosophische Tröstung ausgetrieben worden sei. Hysterischer Nationalismus sei ihm zutiefst suspekt, habe Venclova einmal geschrieben. Lieber sei er ein „wurzelloser Kosmopolit”. In einem seiner Gedichte, das er in München beeindruckend und freisprechend vortrug, heißt es: „Ich weiß nur eins: Das Böse stirbt nie, nur die Blindheit, die lässt sich verscheuchen. Und dass Verse mehr wert sind als jeder Traum.”

Zum Einstieg in die Gedankenwelt dieses großen Europäers, der in den USA zu einem einflussreichen Literaturwissenschaftler an der Universität Yale wurde, empfahl Krüger aber dessen einziges auf Deutsch erhältliches Prosa-Werk: „Vilnius. Eine Stadt in Europa”. Das Buch sei – „untertrieben ausgedrückt” – ein Meisterwerk. Mit stilistischer Eleganz und großem Witz erforsche es die mythischen und sehr realen Schichten dieser Stadt, die in jener Zeit entstand, als auch Athen und Rom gegründet wurden und die lange als „die italienischste Stadt nördlich der Alpen” galt.

Und so schließt sich auch hier der Kreis zu Petrarca und zu München, das vielen als „italienische” Stadt gilt und in dem sich der verschworene Freundeskreis von nun an jährlich zusammenfinden wird, um ausgelassen Petrarca zu feiern – und die Poesie.