Vergangenen Samstag wurden die Petrarca-Preisträger des Jahres 2011 ausgezeichnet. Im prächtigen Rokokosaal des Klosters Benediktbeuern nahmen die Schriftsteller John Burnside und Florjan Lipuš die Ehrung aus der Hand von Verleger Hubert Burda entgegen. Die Autoren teilen sich den mit 20.000 Euro dotierten Preis. „Wir wollen die nationale und regionale Kultur in Europa unterstützen”, sagte Stifter Hubert Burda zu Beginn der festlichen Preisverleihung.
Erklärtes Ziel sei es, europaweit nach Schriftstellern Ausschau zu halten, die ihrer jeweiligen Kultur eine einzigartige Stimme geben. Der Petrarca-Preis gilt als eine der wichtigsten literarischen Auszeichnungen Deutschlands. Einmal im Jahr lädt Hubert Burda zu einem Fest der Literatur ein, das zugleich ein Gipfeltreffen des Geistes ist.
Schon die Zusammensetzung der Jury zeigt den hohen Anspruch dieser intellektuellen Institution. Mit Peter Handke, Michael Krüger, Peter Hamm und Alfred Kolleritsch hat Burda vier hochkarätige Protagonisten der Literaturszene an seiner Seite, die sich weder an Trends noch am Marktwert von Autoren orientieren. Was den Petrarca-Preis unverwechselbar macht, ist das Bekenntnis zum eigenständigen Werk im Kontext regionaler Zugehörigkeit. Die diesjährigen Preisträger, John Burnside und Florjan Lipuš, sind beispielhaft dafür.
Florjan Lipuš gehört der slowenischen Minderheit Kärntens an, einer vergessenen und von der österreichischen Politik unterdrückten Volksgruppe. „Seine Geschichten sind die eines Verschollenen”, sagte Laudator Peter Handke in Anspielung auf Kafkas Romanfragment „Amerika”. Zugleich halte Lipuš eine verschollene Sprache lebendig, die zum machtvollen Dokument von Bitterkeit und Protest werde: „Seine Epik ist ein gegliederter Aufschrei. Die Sprache knirscht mit den Zähnen, und gleichzeitig singt sie.” Besonders stellte Handke die erzählerische Haltung des Preisträgers heraus: „Eine Mischung aus Noblesse und Frechheit, die wir sonst nur aus mittelalterlichen Epen kennen. Heutzutage gibt es solche Literatur nirgends.”
Lipuš arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Lehrer. Für ihn fiel die Verleihung des Petrarca-Preises mit einem anderen wichtigen Ereignis zusammen: „In Kärnten hat die slowenische Sprache in diesen Tagen eine Ehrung erfahren: Die Ortsschilder sind seit kurzem zweisprachig. Es sind bejahende Symbole für das Jetzt und Hier eines Volkes.”
Wie für Lipuš ist auch für den schottischen Schriftsteller John Burnside das Thema Herkunft und Verlust zentral. Er war ein kleiner Junge, als die Familie Schottland verließ und noch England zog. Als Erwachsener kehrte er zurück. Heute hat er eine Professur für Kreatives Schreiben an der St. Andrews University inne. In seinen Gedichten beschwört Burnside seine schottische Heimat herauf, entwirft sinnliche Szenarien von Häfen und Fischerdörfern. „Er ist ein sprachbesessener Melancholiker mit Lust aufs Dasein”, charakterisierte Laudator Jan Wagner den Autor. „Zusammen mit der visuellen Pracht seiner Sprache hat das etwas geradezu Barockes.” In Metaphern und Vergleichen feiere Burnside die Sinnlichkeit des Sichtbaren, mit Formulierungen wie „the buttermilk of dawn”. In Deutschland wurde Burnside unter anderem mit dem Roman „Lügen über meinen Vater” bekannt. Eindringlich schildert er darin eine Kindheit, die von Armut und vom alkoholabhängigen Vater überschattet wird.
Der Petrarca-Preisjury um Hubert Burda ist es einmal mehr gelungen, ein Zeichen zu setzen in der Verwechselbarkeit formatierter Buchproduktion. Zweifellos wird die Ehrung dazu beitragen, Burnside und Lipuš in Deutschland bekannter zu machen. Für die Leser bieten sie die Chance ungewöhnlicher Entdeckungen: zwei Autoren, die sich dem globalisierten Mainstream des Literaturbusiness entziehen.