Der realistische Optimist
Von den persönlichen Treffen mit Shimon Peres habe ich eine Botschaft nie vergessen: Wer realistisch sein will, darf nicht das Ziel vergessen, die Verhältnisse zu verbessern. Seine Vision war ein neuer Naher Osten, in dem sich die arabischen Staaten und Israel zu einer friedlichen, technisch innovativen und sozial ausgeglichenen Region entwickeln.
Der Friedensprozess Anfang der 90er Jahre und die vielen Enttäuschungen danach haben ihn nie davon abgebracht, sein Projekt festzuhalten. Das Wasserproblem im Nahen Osten lösen, durch technologische Erfindungen den sozialen Wandel in der Region herbeiführen, die Voraussetzungen für eine demokratische Gesellschaft in den besetzen Gebieten und Gaza schaffen: der Mann, der 1923 im weißrussischen Wischnewa geboren wurde, glaubte an den „Fortschritt“ wie ihn die Aufklärung predigte – in einer Region, deren Konflikte heute an die Religionskriege im Europa des 17. Jahrhunderts erinnern.
Wenn wir uns trafen, in Jerusalem, auf dem „World Economic Forum“ in Davos oder in München, genoss ich es sehr, wie er in den 90er Jahren mit seiner samtenen Stimme die Möglichkeiten für Frieden und Fortschritt im Nahen Osten eindrucksvoll ausmalte. Hier verwandelte sich Glaube in eine jeden Zweifel aufhebende Gewissheit. Peres, ein im europäischen Sinne Gebildeter und Literaturkenner, erkannte früh die Bedeutung von „high tech“, den Computerwissenschaften, ja der digitalen Revolution. Darum engagierte ich mich 1999 für das Projekt eines „Centers for Innovative Communication“ an der Ben Gurion Universität von Beer Sheva, einer Hochschulgründung, die Peres besonders am Herzen lag.
Mir war immer klar: Man darf die deutsch-jüdische Geschichte in ihrer Dramatik nicht verharmlosen, aber worauf es ankommt, ist der Einsatz für zukunftsträchtige Projekte, die Israel stabilisieren und vorantreiben. Im Jahr 2000 kam es zur Konferenz „Cool People in the Hot Desert“. Ich lernte meinen Freund Yossi Vardi kennen, einen digitalen Unternehmer, dem das Wohlwollen von Shimon Peres gehörte. Kontakte entstanden, die im Jahre 2005 zur Gründung des DLD führten, dem international wohl bekanntesten Forum für Debatten über die digitale Revolution. Ohne Peres keinen Yossi Vardi, keinen DLD, den Steffi Czerny und ich seit über zehn Jahren in Deutschland promovieren. Der Staat Israel wird ihm, neben all seinen Verdiensten, den Mut zur Innovation wohl am meisten verdanken.
Ich verneige mich vor seiner Leistung, ich trauere um einen Politiker von ungewöhnlichem Format.
Von Dr. Hubert Burda